Wie du erkennst, welche Werte du übernommen hast – und wie du sie mit Eigensinn ausstattest, damit sie zu dir passen. Damit du ein selbstbestimmtes, authentisches Leben führen kannst

Dieser Beitrag ist interessant für dich, wenn du
- die Kraft der Werte besser verstehen willst
- ein selbstbestimmtes, freies, authentisches Leben führen willst
- Mut brauchst, um deinen Eigensinn besser zu leben, ohne schlechtem Gewissen
„Jetzt habe ich mich schon wieder überreden lassen, in dieses Lokal zu gehen. Dabei tun mir die Speisen dort gar nicht gut.“ Kennst du das, dass du Ja zu etwas sagst und es dann später bereust?
Wir alle haben im Leben Verhaltensweisen unterschiedlichster Art, die uns nicht guttun. Wir geraten immer in dieselben Konflikte, und sie reiben uns auf. Wir haben vom vielen Sitzen Kreuzweh und beißen die Zähne zusammen, anstatt aufzustehen. Wir tüfteln am ohnehin schon guten Text, weil er noch nicht perfekt genug ist, und vergeuden viel Zeit.
Mit jedem Mal katapultieren wir uns in ein Dilemma: Harmonie vs. Eigensinn, Pflichtbewusstsein vs. Selbstfürsorge, Leistung vs. Lebensfreude, Zugehörigkeit vs. Unabhängigkeit – um nur wenige zu nennen. Werte also, die kollidieren. Wenn wir da rauskommen wollen, müssen wir uns fragen: Welchen Werten folge ich eigentlich? Und welche sind mir wirklich wichtig?
Das emotionale Erbe ist oft unbewusst
Die Menschen, die uns großgezogen haben, prägen uns auf besondere Weise. Durch Vorbild, Lob und Tadel entwickeln wir Überzeugungen und Verhaltensweisen. Ein besonderer Teil des Erbes sind Werte, die wir in unser Erwachsenendasein mitnehmen. Es ist ein Rucksack voll positivem wie auch manchmal problematischem Proviant.
Dieser Rucksack gibt uns zum einen Halt und Sicherheit. Wir haben gelernt, was in bestimmten Situationen zu tun ist, und müssen nicht erst groß nachdenken und entscheiden. Wenn Pflichtbewusstsein auf meinen Fahnen steht, werde ich auf jeden Fall am Schreibtisch sitzen bleiben, Kreuzweh hin oder her, und meine Arbeit zu Ende bringen.

Wenn ein Wert nicht mehr stimmig ist
Andererseits können sie auch zur inneren Last werden. Dann ist es notwendig, diesen Wert des Pflichtbewusstseins zu hinterfragen und anzupassen. Oder ihm einen anderen Wert zur Seite zu stellen, der ihn entschärft. Denn egal, ob du zu oft Ja sagst, ständig Überstunden schiebst oder nach Perfektion strebst – irgendwann ist dieses Verhalten nicht mehr stimmig für dich.
Woran du das erkennst? Dein Leben bekommt ein bisschen einen schalen Geschmack. Du funktionierst, aber du lebst nicht dein eigenes Leben. Dein Körper spielt nicht mehr mit. Du bist genervt und zu oft frustriert. Manchmal sind es auch Lebenskrisen (Krankheit, Scheidung) oder Wendepunkte (berufliche Neuausrichtung, Elternschaft, Pension). Und du stellst dir immer öfter die Sinnfrage.
Vom emotionalen Erbe zum Eigensinn
Um unser eigenes Süppchen kochen zu können, brauchen wir Distanz, die Möglichkeit, uns abzulösen. Das heißt aber nicht, das Alte abzuwerten. Im Gegenteil. Wenn du das emotionale Erbe deiner Eltern abwertest, wertest du letztlich auch dich ab. Und es wäre auch nicht fair. Versöhnlich und in Frieden ziehen lassen wäre die bessere Wahl. Ich gebe dir ein Beispiel:
Ich bin mit viel Naturverbundenheit großgeworden. Wir lebten zwar in Wien, aber bei jeder Gelegenheit zog es meine Eltern raus in die Berge. Mit dem Bergsteigen waren zwei Werte – Naturverbundenheit und Sportlichkeit – kombiniert. Und ich hasste das.
Sobald ich selbst entscheiden konnte, war ich überall, nur nicht in den Bergen, wie du dir denken kannst. Ich probierte verschiedene Sportarten aus, alle in der Ebene. Nur beim Schifahren durften die Berge herhalten.
Mit dem Älterwerden begann ich, mich mehr an dem zu orientieren, was mein Körper mag. Weil mein Kreuz das Laufen auf Asphalt nicht mehr wollte, suchte ich weichen Untergrund. Ich entdeckte, dass Bergauflaufen mir guttut. So kam ich zum Trailrunning. Wo läuft man da? Richtig. Im Wald und in den Bergen.

Werte authentisch einfärben
So fand ich zurück zu den Werten Naturverbundenheit und Sport – und zu den Bergen. Ich spürte eine ganz alte Prägung in mir: eine Identifikation mit den Bergen. Sie sind mir vertraut. Das merke ich z. B. darin, dass ich trotz der langen Abstinenz eine gute Trittfestigkeit habe – „geländegängig“ nannte das damals ein Freund meines Vaters.
Steige ich damit in die Fußstapfen meiner Eltern? Ja und nein. Die Werte habe ich für mich wiederentdeckt. Aber ich lebe sie anders aus. Kein kontemplatives Wandern, bei dem man jedes Blümchen bestaunt, sondern sportliches Laufen. Keine ganzen Wochenenden in den Bergen, sondern nur ein, zwei Stunden. Sport und Natur im Daniela-Style.
Den eigenen Weg finden
Es muss nicht immer so ein langer Weg sein wie in meinem Beispiel. Vielleicht gelingt es dir, da ein bisschen schneller zu sein.
- Unbehagen aufspüren: In welchen Situationen passt dein Verhalten nicht zu dir? Was tut dir nicht gut?
- Sei Detektiv: Welche Wert steckt dahinter? Erinnert dich dein Verhalten an dein Elternhaus oder andere enge Bezugspersonen? Welchen Wert haben sie dabei gelebt?
- Wäge ab: Passt er zu mir? Identifiziere ich mich mit ihm? Oder kann er weg? Welcher wäre stattdessen passender?
- Neues Verhalten finden: Wie lässt sich der Wert so leben, dass es mir gut dabei geht?
- Deinen Wertekanon zusammenstellen: Welche anderen Werte sind dir wichtig? Welcher könnte dir helfen, dein neues Verhalten umzusetzen?
Den eigenen Weg zu finden kann manchmal schwierig sein. In diesem Fall empfehle ich dir, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch ich helfe dir gerne als Sinncoach.

Eigensinn als dein innerer Kompass
Ich weiß, dass Eigensinn allgemein negativ gemeint ist (dickköpfig finden das viele). Doch der eigentliche Sinn des Worts liegt in genau dieser Sicht: den eigenen Sinn finden, um authentisch leben zu können. Es geht nicht darum, dass du deine Herkunft ablehnst oder die Werte deiner Eltern abwertest. Sondern dass du sie dir bewusst machst, sie aufgreifst und etwas Eigenes daraus entwickelst. Eigensinn ist nicht Egoismus. Er ist dein innerer Kompass!*)
*) Maria Almana, Autorin und „Buchhebamme“, hat eine Trilogie zum Eigensinn geschrieben. Vielleicht interessieren dich ihre so herzlich geschriebenen Bücher: Hier kommst du zu den Informationen