Die Frage nach dem Sinn im Leben

Wie viele andere Menschen auch dachte ich lange Zeit, der Sinn im Leben sei immer etwas Großes, Umfassendes. „Was ist mein Sinn im Leben?“, fragte ich mich. Ich dachte dabei an Welt retten und derlei Überwältigendes. Das frustrierte mich. Ich wollte doch unbedingt etwas Sinnvolles machen. Doch alles, was mich interessierte, erschien mir ungenügend.

Mein Umfeld war auch wenig hilfreich dabei, die Sinnfrage zu beantworten. Das österreichische Urgestein Wolfgang Ambros sang einmal: „Der Sinn des Lebens ist es, stärker zu sein.“ Das klingt nach „dog eat dog“, nach „survival of the fittest”. Echt jetzt? Das nackte Überleben als Sinn? Nun ja, in letzter Konsequenz vielleicht. Im Krieg oder in einer Hungersnot. Aber was ist, wenn man das Privileg hat, in Frieden leben zu können? Das ergibt dann keinen Sinn? Ein friedliches Leben muss doch erst recht Sinn haben!

Dann gab es Menschen, die die Frage nach dem Sinn an sich schon nutzlos fanden. Oder ihn als inexistent betrachteten. Wiederum fällt mir eine Songzeile ein, diesmal von Pizzera & Jaus in ihrem Lied „Eine ins Leben“ (= Hinein ins Leben): „Suach ned an Sinn – es wird kan gebn! – Wo foah ma hin? Mia foahn eine ins Leb‘n!“ Also einfach irgendwie leben und gar nicht erst nach einem Sinn suchen?

Sinn: Ein Alltags- oder ein Lebensthema?

Bis ich eines Tages lernte: Der Sinn steckt im Großen wie im Kleinen. In der großen Vision ebenso wie in der Frage, was ich heute anziehen soll. Denn selbst die Wahl eines Kleidungsstücks folgt einem Sinn: Der flauschige Pulli, weil es draußen kalt ist. Der knallige Hut, weil ich mich gern auffällig kleide. Das Sporttrikot, weil es beim schweißtreibenden Training angenehmer zu tragen ist. Solche kleinen Alltagsfragen entscheiden wir ebenfalls nach einem Sinn, jedoch erkennen wir das Sinnvolle darin nur intuitiv und unbewusst.

Natürlich kann ich auch sagen, dass Sinn gar nicht existiert. Warum gibt es Menschen auf dieser Welt? Schwer zu beantworten. Ein Zufall der Evolution vielleicht. Trotzdem drängen sich solche Fragen auf und entpuppen sich als die großen Fragen des Lebens. Warum musste meine Schwester bei der Geburt sterben? Wofür gibt es so viel Leid auf der Welt? Und überhaupt: Wofür bin ich auf dieser Welt? Hat sich da jemand etwas dabei gedacht? Du merkst, diese Fragen führen in die Philosophie. Und eventuell in die Spiritualität.

Midlife-Crisis: Es geht um das Wertvolle im Leben

Jeden Übergang von einem Lebensabschnitt zum nächsten erleben wir als Umbruch, manchmal sogar als Krise, die oft eine Sinnfrage mit sich bringt. So um die 50 herum – nur um eine der Lebenskrisen zu benennen – machen viele Menschen Zwischenbilanz: Wie war mein Leben bisher? Meist kommt das Gefühl auf, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Es ist zwar vieles gelungen. Trotzdem breitet sich Unzufriedenheit aus.

Es scheint, als hätten wir das Wichtigste, das Wertvollste noch nicht gelebt – sonst wären wir doch zufrieden, oder? Wobei: Ein Kind in die Welt gesetzt, sich um andere gekümmert zu haben oder finanziell unabhängig zu sein, das ist doch wohl wichtig und sinnvoll gewesen, oder nicht? Trotzdem bleibt da diese Unzufriedenheit.

Wir streben nach sinnvollem Tun

Vielleicht liegt es daran, dass wir Menschen ganz instinktiv etwas neues Sinnvolles suchen, nachdem der alte Auftrag erfüllt ist. So quasi: Kind bekommen, Baum gepflanzt, Haus gebaut (vielleicht war es auch nur ein Zelt und ein Bonsai, wer weiß) – und jetzt ist es Zeit für etwas Neues. Wir stecken doch mitten im prallen Leben, das ist schließlich noch lange nicht zu Ende!

Als Lösung wird dann das lang ersehnte Cabrio gekauft oder die Weltreise angetreten, der Tauchkurs in der Karibik gebucht oder – um den Klassiker zu nennen – die Frau bzw. der Mann ausgetauscht. Ob das wirklich zum Sinnvollen führt? Das kann nur jeder selbst für sich beantworten. Ich gestehe: Wir haben uns tatsächlich ein Cabrio gekauft. Zehn Jahre später kann ich die „Oben-ohne“-Ausfahrten beinahe an einer Hand abzählen: zu kalt, zu heiß, zu stürmisch, auf der Autobahn zu zugig, im Tunnel höllisch laut. Und für kurze Strecken zahlt es sich nicht aus, das Top zu versenken. Die Anschaffung hat sich also als wenig sinnvoll erwiesen, obwohl: Ein cooles Auto ist so ein Cabrio trotzdem.

Wofür soll das gut sein?

Eine andere Lösungsmöglichkeit ergibt sich aus einer Wofür-Frage. Ein Beispiel: „Wofür ist es gut, ein Cabrio zu kaufen?“ – „Damit ich das ultimative Freiheits-Gefühl spüren kann, wenn mir der Wind um die Nase weht.“ An dieser Antwort erkenne ich: Es geht also gar nicht ums Cabrio, sondern um die Freiheit. Eine entscheidende Erkenntnis! Denn Freiheit zu erreichen, sie in jeder Faser zu spüren, dafür gibt es sehr viel mehr Möglichkeiten, die vielleicht sogar viel weniger kosten.

Es ist also gut, eine Sinnkrise als wertvolle Chance zur Reflexion zu nehmen. Worum geht es mir wirklich im Leben? Dann kommst du schnell zu dem, was wirklich zählt. Zu deinen Werten und Überzeugungen, die dein Handeln befeuern. Doch das ist eine andere Geschichte.

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