Du möchtest eine neue Sportart, eine neue Form der Bewegung probieren und liebäugelst mit dem Schwimmen? Nur zu, hinein ins frische Nass und genießen! Um mit dem Schwimmen zu beginnen, brauchst du diese Gebrauchsanweisung möglicherweise nicht.
Die im Übrigen gar keine ist.

Keine Anleitung, sondern eine Wesens-Erkundung
Ich bin schon seit vielen Jahren – was sage ich, Jahrzehnten! – großer Fan der Gebrauchsanweisungen von Piper. Von A wie Amsterdam bis W wie Weihnachten stehen sie in meinem Regal. Sogar Ö wie Österreich habe ich gelesen. Ich wollte sehen, wie man meine Heimat so von außen betrachtet. Nicht immer schmeichelhaft, und natürlich fühlte ich mich manchmal missverstanden. Trotzdem sehr interessant!
Was ich an der Piper-Reihe generell schätze: Die Bücher sagen mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe. Stattdessen lassen sie mich eintauchen in ein Land oder eine Stadt, um ein Gefühl für das Wesen, für das Eigensinnige zu bekommen.
Bei John von Düffels Gebrauchsanweisung ist das genauso: Keine Anleitung fürs Kraulen oder den richtigen Kopfsprung, sondern ein Angebot von Betrachtungen, ein Potpourri der Aspekte, mit denen wir Schwimmer*innen zu tun haben. Eine kluge, liebevolle Erkundung des Schwimmens; dessen, was diesen Sport so einmalig macht.
Ins Schwimmen eintauchen
Von Düffel beginnt, womit man beginnen muss: Was kann uns begegnen, noch bevor wir den Zeh ins Wasser halten? Er schreibt über Wasserscheu und Überwindung, die Kälte und die ängstigende Tiefe. Man muss ein bisschen nachdenken, um zu verstehen, warum er diesen ersten Teil „Das Gespür für Wasser“ nennt. Erst wer in diesem Element seine Grenzen kennt und sie überschreiten wagt, kommt dem Wesen des Schwimmens nahe.
Der nächste Teil nennt sich „Zeitlos schwimmen“. Die Zeitlosigkeit, das man erst versteht, wenn man merkt, dass das Immer-schneller-Schwimmen nicht (mehr) geht. Eine meiner Lieblingsstellen in diesem Buch, mit dem er diesen Teil einleitet:
„Auch das will dieses Buch sein: keine Trainingsfibel […], sondern ein Versuch, das Leistungsdenken hinter sich zu lassen und einzutauchen in eine Wasserwelt, in der ‚schnell‘ und ‚langsam‘ keine Rolle spielen.“
Schwimmen abseits des Leistungsdenkens
Abseits von schneller, weiter, höher, so soll das sein! Denn haben wir nicht ohnehin schon genug Leistungsdruck im Büro, Stress beim ewigen Spagat zwischen Familie und Arbeit? Was nicht heißt, dass jene, die ehrgeizig sind, nicht auch ihren Spaß daran haben können, beim Schwimmen besser zu werden. Ich nehme mich dabei gar nicht aus.
Trotzdem finde ich es so wohltuend jedes Mal, wenn ich von Sportbegeisterten höre oder lese, dass Leistung nur ein Aspekt des Sports ist, niemals der umfassende! Sport soll in erster Linie Freude bereiten (ich habe hier schon einmal darüber geschrieben).
In diesem Sinn führt von Düffel uns zum Unterschied zwischen Schwimmbad und Freiwasser. Er überlegt, ob man für Wasser überhaupt Worte finden kann, wo doch jede Hautzelle mehr davon zu verstehen scheint als unser Gehirn. Er schwimmt mit uns weit hinaus und blickt tief hinunter.
Sich freischwimmen
Von Düffel ist poetisch und philosophisch, schon allein deshalb empfehle ich dieses Buch, das so viel mehr ist als eine Beschreibung des Schwimmens. Da hätte ich noch eine Kostprobe für dich:
„Schwimmen ist mehr als ein Sport. […] Durch das Zurückgeworfensein auf die ureigenen Ängste, Kräfte und Fähigkeiten ist es ein Unabhängigkeitstraining der besonderen Art. Im Freien zu schwimmen heißt immer auch Freischwimmen.“
Eigentlich ist dieses Buch ja eine Liebeserklärung.
John von Düffel: Gebrauchsanweisung fürs Schwimmen. Piper Verlag 2016