Selbstsabotage: Wie es dazu kommt

Kürzlich habe ich für die aktuelle Lerngruppe der wunderbaren Birgit Barilits einen Vortrag über Selbstsabotage gehalten. Diese Gruppe hat sich zusammengefunden, um alte Gewohnheiten abzulegen, weil sie nicht guttun, und stattdessen neue zu etablieren. Es geht um die gesunde Langlebigkeit und das Etablieren eines gesunden Lebensstils. Ein Thema, über das Birgit und ich gerade ein Buch schreiben.

Schon bei der Vorbereitung – und erst recht beim Austausch mit den Teilnehmerinnen ist mir wieder ins Bewusstsein gekommen, wie sehr verbreitet diese Selbstsabotage ist und wie ärgerlich und manchmal sogar quälend sie sein kann.

Warum behindern wir uns selbst?

Vielleicht kennst du es ja auch selbst. Du möchtest endlich Schoko und Kekse aus deinem Leben verbannen, die du so gerne isst. Du weißt, du bekommst Magen- und Bauchweh davon, und trotzdem greifst du immer wieder zu.

Oder wie es mir manchmal geht: Ich möchte schwimmen gehen. Doch dann wirft irgend so ein unsichtbarer Gremlin ein Gedankenkarussell in meinem Hirn an: Die Bahnen sind bestimmt wieder so voll, dass du keinen Platz haben wirst. So viel Zeitaufwand – für eine Stunde Schwimmen brauchst du für alles drumherum mehr als drei Stunden. Das geht doch nicht! Dann das lästige Haarewaschen … Ach, ich bleibe lieber Hause. Und das, obwohl ich doch wirklich gerne schwimme! Absurd ist das.

Sabotage ist eigentlich ein militärischer Begriff und bedeutet eine „planmäßige Störung oder Behinderung von Arbeiten“. Da steckt also Absicht dahinter. Doch behindern wir uns wirklich absichtlich? Ganz bestimmt nicht.

Unbewusste Schutzmechanismen, die uns behindern

Oft stecken unbewusste Schutzmechanismen hinter der Sabotage. Sie sind Relikte aus unserer Kindheit. Als Kind sind wir abhängig davon, dass unsere Eltern bei uns bleiben, dass sie sich um uns kümmern. Wir können nicht selbst für unsere Sicherheit – für unser Überleben – sorgen, also tun wir alles, damit dieser sichere Hafen aufrecht bleibt.

Immer dann, wenn diese Sicherheit gefährdet ist, entwickeln wir als Kind also gewisse Strategien. So kann es beispielsweise passieren, dass ein kleines Mädchen, das sehr viel Sehnsucht nach dem weitgehend abwesenden Vater hat, sich zu einem ganz besonders lieben und artigen Kind entwickelt, das immer tut, was man ihm sagt. Mit der Idee, dass der Papa vielleicht doch öfter zu Hause bleibt.

Diese Strategie, immer zu lächeln und lieb zu sein, nimmt sie mit in ihr Erwachsenenleben. Das ist natürlich ein unbewusster Akt. Blöd ist nur, dass diese Strategie ihre ursprüngliche (überlebenssichernde) Funktion längst verloren hat. Diese Freundlichkeit ist ja grundsätzlich eine gute Idee, die ihr viele Sympathien privat und beruflich bringt.

Doch sie führt vielleicht dazu, dass sie auch dann noch lächelt, wenn ihr zum Heulen zumute ist. Dass sie Ja sagt, obwohl sie Nein sagen sollte, weil sie ohnehin schon seit Wochen überlastet ist. Dass sie gute Miene zu allfälligen bösen Spielen zu ihren Lasten macht. Du siehst: Die einst überlebensnotwendige Schutzstrategie wird zum regelmäßigen Sabotageakt, der ihr das Leben schwermacht und möglicherweise verhindert, dass sie ihre Lebensziele erreicht.

Auf diese oder ähnliche Weisen entwickelt sich das, was wir Selbstsabotage nennen. Natürlich ist das nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten. Vielleicht gehörst du auch zu jenen, die nicht Nein sagen können, doch deine Geschichte, die dazu geführt hat, ist vermutlich eine ganz andere.

Die menschliche „Werkseinstellung“, die uns in die Quere kommt

Es gibt auch noch eine andere Quelle für erfolgreiche Selbstsabotage. Die Natur hat uns Menschen mit Instinkten und Reflexen ausgestattet, die ebenfalls ein Ziel haben: das Überleben zu sichern. Emotionen beispielsweise sind eine „Werkseinstellung“, die uns hilft, auf alltägliche Situationen zu reagieren und auch ohne Worte mit anderen zu kommunizieren. Wenn du jemanden triffst, den du magst, lächelst du automatisch.

Wenn du dich fürchtest, aktivierst du eine andere „Werkseinstellung“: das Stresssystem. Bei Gefahr reagiert dein Körper automatisch mit Verteidigung, Flucht oder Totstellen (z. B. Verstecken). Du willst die Straße überqueren und merkst erst im letzten Augenblick, dass ein LKW kommt – und reflexartig hüpfst du zurück auf den Gehsteig. So wie alle Werkseinstellungen reagiert auch das Stresssystem äußerst schnell – schneller als du denken kannst.

So überlebenswichtig diese Werkseinstellungen sind, so können sie uns aber auch hinderlich sein: Wenn du im Büro Dauerstress hast und eine wichtige Entscheidung ansteht, kann das schon mal ins Auge gehen, weil du eine schlechte Entscheidung triffst. Das liegt (vereinfacht gesagt) daran, dass der Körper im Stress den Fokus auf Muskelkraft und Schnelligkeit legt und unser Denkorgan daher unterversorgt werden muss.

Trägheit ist auch so eine Werkseinstellung, die uns die Natur geschenkt hat, damit wir nicht unnötige Energie vergeuden. Wie sehr die Trägheit aber auch ein Klotz am Bein ist, erkennt man daran, dass wir ihr einen Namen gegeben haben: der innere Schweinehund.

Vom Überleben ins bewusste Leben

Frühere Kunden von mir, die Paartherapeuten Sabine und Roland Bösel, haben immer wieder betont, worum es geht, um ein glückliches und erfülltes Leben zu haben: vom Überlebensmodus in den Lebensmodus finden.

Ein erster wichtiger Schritt ist, sich die eigenen Sabotageakte bewusst zu machen. Innezuhalten, wenn man sich gerade selbst dabei ertappt, Ja zu sagen, obwohl ein Nein angebracht ist. Zu lächeln, obwohl man heulen könnte. Wieder einmal dem inneren Schweinehund nachzugeben, anstatt ihn auf seinen Platz zu verweisen.

Und dann gilt es, Alternativstrategien zu entwickeln mit allen Tricks und Schuhlöffeln, die du brauchst, um reinzukommen in eine neue Gewohnheit. Die wirkliche Herausforderung schließlich ist, dass du dranbleibst. Dass du deinen Mut nicht verlierst. Dass du beim ersten Misserfolg nicht gleich die Flinte ins Korn wirfst.

Mein Schuhlöffel fürs Trotzdem-Schwimmengehen ist, dass ich die Schwimmtasche schon am Vorabend packe und sie mir im Vorzimmer mitten auf den Boden stelle, sodass sie mir im Weg ist. Kein Entkommen! Und mein Trick gegen ein vorschnelles Ja-Sagen: „Danke, dass du mir diese Aufgabe übergeben willst. Ich denke noch drüber nach und melde mich morgen.“ Hilft!

Ansonsten: Sei nett zu dir. Immer. Auch wenn du mal wieder der Selbstsabotage auf den Leim gegangen bist. Gerade dann!

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