Therapeutisches Schreiben: klärend für den Kopf, heilsam für die Seele

Was therapeutisches Schreiben ist, wann es hilfreich ist und wie du es für Selbstreflexion und Sinnfindung einsetzen kannst

Therapeutisches Schreiben: klärend für den Kopf, heilsam für die Seele

Seit ich das Schreiben zu meinem Hauptberuf gemacht habe, fasziniert mich, wie vielfältig und komplex der Schreibprozess ist. Ja, komplex! Denn die Aufforderung „Jetzt setz dich hin und schreib einfach“ ist sehr oft alles andere als einfach. Da wirst du mir vielleicht zustimmen, weil du es selbst schon erlebt hast.

Seine Komplexität zeigt das Schreiben am offensichtlichsten mit der Schreibblockade. Ich kenne sie ausführlich, sowohl in Theorie als auch in Praxis. Falls du erstaunt bist, dass ich als Schreibprofi eine Schreibblockade haben kann: Na, aber klar doch! Eine meiner vielen Lehrer*innen der vergangenen 25 Jahre brachte es auf den Punkt: „Der Unterschied zwischen Schreibprofi und Laie ist nicht, dass der eine keine Blockaden hat. Sondern dass er weiß, wie er damit umgehen kann.“ Und genau so ist es auch. Viele der Übungen gegen Blockaden haben ihren Ursprung im therapeutischen Schreiben!

Therapeutisches Schreiben lernen

Dieses Jahr habe ich mir einen Themenschwerpunkt gesetzt: Ich beschäftige mich heuer intensiv mit der Psychologie des Schreibens. Fachbücher dazu lesen, mich austauschen, Seminare besuchen. Und so landete ich erst kürzlich im wunderschönen Allgäu, um ein Seminar bei Silke Heimes zu besuchen. Sie ist Ärztin und erfahrene Poesietherapeutin und unterrichtet Coaches und Therapeuten in diesem Fach. Silke hat uns drei Tage lang durch die Vielfalt der therapeutischen Schreibmöglichkeiten geführt.

Therapeutisches Schreiben ist kreativ und heilsam

Wir würden dem Schreiben unrecht tun, würden wir es darauf reduzieren, dass es uns das Leben mit einer Blockade schwermacht. Schreiben ist auch viel mehr als nur ein Kommunikationsmittel, mit dem Wissen und Informationen weitergetragen werden. Schreiben wird im therapeutischen Kontext sowie im Coaching eingesetzt. Die Anlässe sind vielfältig, hier liste ich ein paar häufige auf:

  • Es hilft, Chaos im Kopf zu ordnen, um wieder einen klaren Fokus zu bekommen. Über den tollen Effekt bei Grübeleien habe ich erst kürzlich hier geschrieben und auch hier.
  • Es dient zur emotionalen Entlastung, etwa bei Trauer, Burnout, Krankheit oder anderen Lebenskrisen. Das ist einer der Gründe, warum therapeutisches Schreiben begleitend in der Onkologie oder auch in der Suchttherapie eingesetzt wird.
  • Es hilft, Erlebtes zu verarbeiten und besser zu verstehen. Nicht zuletzt deshalb haben viele ältere Menschen das Bedürfnis, ihre Memoiren zu schreiben.
  • Es transformiert Unaussprechbares in Sprache. Denn oft will man Dinge nicht aussprechen – aus Scham oder Angst. Doch beim Schreiben ist alles erlaubt. Man muss es ja niemanden lesen lassen!

Schreibend den Sinn erkennen

Was mich am meisten begeistert ist die Erkenntnis, wie sinnstiftend das Schreiben eigentlich ist. Denn bei all den oben genannten Punkten geht es immer darum, einen Sinn zu finden. Ich spreche hier (wie immer) nicht nur über die spirituelle Frage unseres Daseins, sondern über den Sinn, der uns bei großen und kleinen Entscheidungen durch den Alltag hilft.

Sinn findest du etwa dann, wenn du entscheidest: Soll ich mit dem Auto zum Einkauf fahren oder zu Fuß gehen? Wenn du drei Kisten Mineralwasser kaufst oder der Supermarkt zehn Kilometer entfernt ist, ist das Auto wohl die sinnvollste Entscheidung. Wenn du nur Milch brauchst, ist der Fußmarsch sinnvoller. Wenn du nur Milch brauchst, aber ein schmerzendes Knie hast, fährst du sinnvollerweise dann doch besser mit dem Auto.

Therapeutisches Schreiben: klärend für den Kopf, heilsam für die Seele

Wenn Chaos im Kopf herrscht

Und so lässt sich jede Entscheidung betrachten, die du triffst. Manchmal aber gibt es Situationen, aus denen du nicht schlau wirst. Du überlegst und überlegst, und bald schwirrt dir der Kopf und du blickst überhaupt nicht durch.

Dann kann beispielsweise automatisches Schreiben helfen. Dabei kannst du erst einmal alles aufs Papier rauszukotzen, was dein Hirn verstopft. Oft reichen ein paar Minuten, und schon ist ein erster klarer Gedanke erkennbar. Bald verstehst du, worum es dir eigentlich gerade geht, was für dich gerade wichtig ist. Und das ist nichts anderes, als deinen persönlichen Sinn in dieser Situation zu erkennen.

Warum ausgerechnet ich?

Bei Krisen ist die Sinnfrage am augenfälligsten: Warum, fragen wir verzweifelt, wenn wir schwer erkranken. Warum passiert das gerade mir? Mit behutsam geführten Schreibanleitungen bekommt man Antworten.

So kann das Leiden Sinn erhalten. Und nein, das ist gar nicht zynisch. Viktor Frankl, Arzt und Begründer der Logotherapie, der das KZ überlebte, brachte es auf den Punkt: Wer ein Wofür zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.

Das eigene Leben verstehen

Ähnlich beim Schreiben der eigene Biografie. Natürlich gibt es Biografien, bei denen man stark den Verdacht hat, es handle sich nur um Selbstbeweihräucherung oder Wichtigtuerei. Und doch ist autobiografisches Schreiben in der Regel getragen vom Wunsch, das eigene So-geworden-Sein besser zu verstehen, die Erlebnisse besser einordnen zu können. Im bisherigen Leben einen Sinn zu sehen. Ganz nach Kierkegaards Aussage: Wir leben das Leben vorwärts, aber verstehen können wir es nur rückwärts.

Habe ich dich neugierig gemacht? Oder vielleicht praktizierst du das Schreiben als Mittel zur Selbstreflexion schon regelmäßig. Indem du beispielsweise Tagebuch schreibst (da darf schließlich alles rein, was man sich anderen gegenüber nie auszusprechen traut!). Erzähl doch einmal in einem Kommentar!

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Ich bin Daniela Pucher, Autorin und Coach mit Sinn für den Eigensinn. Wenn ich nicht gerade anderen Autor*innen helfe, ihr Sachbuch zu schreiben, schreibe ich eigene Bücher. (www.daniela-pucher.at) Und seit Anfang 2024 schreibe ich hier über das bunte, fitte, sinnvolle Leben.

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