Mach es dir bunt!

Die mittleren Lebensjahre sind keine allzu leichte Zeit. Vieles ist in der Veränderung, manches im Umbruch: Die Kinder sind groß geworden und verlassen das Haus, das plötzlich stiller wird. Die Karriere tritt in die vielleicht letzte Entwicklungsphase und man fragt sich, was noch möglich ist. Vielleicht zeigt der Job auch deutliche Abnützungserscheinungen und man langweilt sich und überlegt: Soll ich noch einmal etwas Neues wagen? Oder zahlt sich das nicht mehr aus?

Apropos „zahlt sich nicht aus“: Die Endlichkeit wird einem immer bewusster, und das ist kein schöner Gedanke. Gehört man jetzt wirklich bald zum alten Eisen? Schließlich rückt der Ruhestand näher. Die einen freuen sich drauf – endlich raus aus dem Bergwerk und rein ins bunte Leben, in dem einem niemand mehr sagt, was man zu tun hat. Die anderen blicken sorgenvoll drein und fühlen sich dem Abstellgleis nahe. Wird mich dann niemand mehr brauchen? Wofür soll ich dann noch gut sein?

Falsche Bilder und überkommene Vorurteile

Gleichzeitig werden wir – oft subtil, manchmal direkt – mit etwas konfrontiert, dass äußerst irritierend ist: Vorurteile gegenüber Älteren. Kennst du bestimmt. Firmen, die älteren Mitarbeitern beispielsweise Weiterbildungen vorenthalten (die Investition rechnet sich schließlich nicht mehr). Kulturstipendien, die nur für Junge zugänglich sind und vieles mehr.

Und wenn du ehrlich bist, wirst du erkennen, dass du selbst falsche Bilder von den Pensionisten, Rentnerinnen, Senioren, vom Älterwerden generell hast. Da sprichst du halb im Scherz von „deinen alten Knochen“ und dass die geschont werden müssen. Oder sehr beliebt die Vergesslichkeit: „Du liebe Zeit,“ denkst du, „ich bin ja auch schon ganz dement, so vergesslich, wie ich bin!“ Du kennst beispielsweise bestimmt diese Situation: Du gehst in deiner Wohnung in ein anderes Zimmer, um etwas zu holen, und wenn du dort bist, hast du vergessen, was es war. Ich sehe es vor mir, wie du dir mit der flachen Hand aufs Hirn schlägst und „Alzheimer lässt grüßen“ denkst.

Selbstsabotage

Mich macht so etwas traurig. Mag sein, dass das nicht ernstgemeint ist. Trotzdem ist es nicht schön, wie wir über uns selbst reden, sobald wir ein gewisses Alter überschritten haben. Beim Blick in den Spiegel sehen wir plötzlich nur noch die Falten und Augenringe, aber nicht die lächelnden Augen, die wir früher so sehr an uns gemocht haben. Aber gut. Früher sind wir auch in ein anderes Zimmer gegangen und haben vergessen, was wir da wollten – und haben dabei nicht an Alzheimer gedacht. Wir sind einfach nochmal zurückgegangen, weil das immer schon der beste Trick war, um sich zu erinnern, was wir uns im anderen Zimmer holen wollten.

Überkommene Bilder über das Alter können tatsächlich zur Selbstsabotage führen. Nämlich dann, wenn du „in deinem Alter“ dieses nicht mehr und jenes sehr wohl tun solltest. Vom Minirock-Tragen bis zur kunterbunten Farbwahl der Kleider, das ist doch nur was für die Jungen, höre ich. Oder: Was, du willst jetzt mit 60 noch Keyboard spielen lernen? In dem Alter? Das wird doch nix mehr. Na klar, was Hänschen nicht lernt und so.

Auf Bäume klettern

Von Astrid Lindgren stammt einer meiner Lieblingssprüche: „Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern.“ So sehe ich das auch (und dasselbe gilt natürlich auch für alte Männer). Es gibt auch kein Verbot für 60+, Jeans zu tragen (angeblich gibt es eine Studie, die behauptet, ab 53 Jahren wär’s vorbei damit) oder auf Weltreise zu gehen oder den ersten Fallschirmsprung des Lebens zu wagen oder eine neue Sprache zu lernen. Auch in Sachen „neue Karriere starten“ oder „Tauchen lernen“ oder „am Kirschkernweitspuck-Wettbewerb teilnehmen“ oder „Bestsellerautorin werden“ kann ich nirgendwo ein Verbotsschild ausmachen.

Es ist doch erstaunlich: Da haben wir uns endlich halbwegs von all den jugendlichen Schönheits- und sonstigen Gruppenzwängen freigestrampelt, und dann soll es weitergehen mit Vorgaben, was man tun und nicht tun soll? Das kann es doch nicht sein!

Lass uns also lieber tun, was uns gerade Spaß macht. Was uns selbst wichtig ist und nicht den anderen. Einverstanden? Wenn du etwas Verrücktes tun willst, dann tu das doch bitte. Egal, ob deine Nachbarn, Kinder, Freunde finden, dass sich das für dein Alter nicht mehr gehört. Wenn du dich in einer hautengen Jeans wohlfühlst, dann zieh sie doch bitte an! Wenn du dir auch mit 80 noch die Haare schwarz färben willst, tu es (oder grün oder pink). Wenn du lieber deine natürlichen (grauen) Haare sehen willst, feel free! Eine neue Sportart lernen? Unbedingt! Zum Eisschwimmen nach Norwegen reisen? Aber sicher doch!

Das Leben ist zu kurz, um sich „dem Alter entsprechend“ im Schaukelstuhl unsichtbar zu machen.

(Beitragsbild: pixabay_whitedaemon)

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