Alte Menschen nerven, hört man. Sie sind anstrengend, weil umständlich und langsam. Sie haben wenig übrig für neumodisches Zeug wie Handy und Internet und kennen sich dementsprechend auch nicht aus. Außerdem sind sie langweilig und reden nur über Krankheiten. Das Herz, der Blutdruck, das Cholesterin, die Hüfte. Und es war früher sowieso alles besser.
Vorurteile gegenüber dem Alter
Solch böse Worte hast du bestimmt schon gehört. Vielleicht auch schon selbst gedacht. Oder mit den Augen gerollt, wenn der alte Herr vor dir an der Kasse mit seinen steifen Fingern ewig in der Geldbörse herumstochert. Selbst wenn Altsein bei dir das freundliche Bild einer strickenden Oma im Schaukelstuhl heraufbeschwört, liegst du einer Sache auf, die wir grundsätzlich nicht gutheißen wollen, schon gar nicht, wenn wir selbst betroffen sind: Vorurteilen gegenüber dem Alter.
Kein Wunder also, dass in unseren Breitengraden keiner alt sein will. Wer will schon zu den Langweilern und Umstandsmeiern gehören! Also schieben wir das Altsein von uns weg. Alt sind höchstens die anderen. Wir? Wir würden gerne lange und gesund leben, das schon. Aber alt sein?
Strategien fürs Immer-jung-Gefühl
Lieber tun wir so, als blieben wir forever young. Dafür haben wir einige Strategien auf Lager. „Schau nur, die sieht doch deutlich älter aus als ich, dabei ist sie zehn Jahre jünger!“, sagen wir und ziehen den Bauch ein. Fishing for compliments mit zweifelhaftem Erfolg. „Wie? Du gehst schon?“, sagen wir auf der Party. „Also ich könnte bis zum Morgengrauen abtanzen!“ Und sind dann heimlich sehr erleichtert, dass das Ehegespons drauf besteht, vor Mitternacht heimzufahren.
Unterhaltsam sind auch die Sprüche, die durchs Internet witzeln. Weisheiten wie „Ich bin nicht alt, nur schon lange jung“ oder „Älter ist wie jung, nur besser“ tun so, als würde das Älterwerden spurlos an uns vorüberziehen, und außerdem wäre es sowieso viel besser, alt zu sein als jung. Aber was soll’s. Sich ein klitzekleines Bisschen selbst belügen ist schon okay, und die Selbstironie, die da drinnen steckt, ist ja nicht das Schlechteste.
Auch nicht gut: Selbstdiskriminierung
Auf der anderen Seite haben wir nicht nur triste Bilder vom Altwerden im Kopf, schlimmer noch: Viele neigen dazu, sich selbst abzuwerten oder auch alles, was unangenehm ist, aufs Alter zu schieben. Das hört sich dann so an:
A: „Die Dings, du weißt schon, die … wie heißt sie doch gleich? … Argh! Ich bin echt schon voll dement!“
B: „Ah, du meinst die, die erzählt hat, wie sie morgens beim Aufstehen ächzt wie ein altes Weib.“
A: „Genau. Und deren Mann herzkrank ist. Kein Wunder, mit 60 ist das Herz halt schon morsch, da braucht man sich gar nicht zu wundern.“
Kennst du? Vielleicht zumindest so ähnlich. Dass nicht alle „alten Weiber“ ächzen, dass herzkrank zu sein weniger etwas mit den 60 Lenzen als eher mit einem ungünstigen Lebensstil zusammenhängen (zu viel Schweinebraten, zu wenig Bewegung), so denkt man offenbar nicht. Und dass Vergesslichkeit einen in Sorge sein lässt wegen einer möglichen Demenz, ist verständlich. Sich deswegen schon als dement zu bezeichnen, ist nicht sehr nett, finde ich.
Seien wir doch nett zu uns selbst
Lasst uns lieber freundlich auf das Älterwerden schauen. Es ist besser als sein Ruf! Mag sein, dass unsere 50er nicht so fein sind, weil wir in diesem Jahrzehnt den Übergang in die nächste Lebensphase spüren. Viele empirische Studien stellen fest, dass das psychische Wohlbefinden ab 60 nicht abnimmt, sondern im Gegenteil sich stabilisiert und sogar steigt.
Wie schaust du aufs Älterwerden? Stimmst du bereitwillig ein in den Negativ-Kanon? Oder stellst du dich dagegen? Berichte doch mal!