Sinn oder Glück: Was führt eher zu einem zufriedenen Leben? Über die Unterschiede dieser Begriffe. Und ein Denkanstoß für deine gelungene Lebensgestaltung.
Wir erwarten, dass uns der eingeschlagene Berufsweg glücklich macht. Wir möchten, dass der Partner, die Partnerin uns glücklich macht. Wir wünschen uns, dass unsere Kinder uns glücklich machen. Wir hören, dass Sport glücklich macht (Endorphine, Baby!) und versuchen es und warten darauf, dass das Glücksgefühl sich einstellt. In unserem Sprachgebrauch wird das Wort Glück schon recht oft strapaziert, oder?
Definition von Glück
Interessant ist, dass die wenigsten definieren können, wovon sie sprechen: Glück? Was ist Glück überhaupt? Die Glückstrainerin Heidi Smolka hat in ihrem Buch „Mein Glückstrainings-Buch“*) eine schöne Präzisierung abgeliefert: Da unterscheidet sie erst einmal zwischen „Glück haben“ im Sinne von „Da hab ich ja Schwein gehabt“, das wir wohl nicht beeinflussen können, und „glücklich sein“ im Sinne eines Zustands, den wir sehr wohl beeinflussen können.
Doch auch „glücklich sein“ muss man noch differenziert betrachten: Wenn ich beispielsweise im Wald laufe und dabei den Duft des Waldes einatme, die frische Luft spüre, die Vögel zwitschern und es im Gebüsch rascheln höre, dann ist das ein ganz anderes Glücksgefühl, als wenn ich mich darüber freue, dass ich einen sinnvollen Job habe, der mich erfüllt. Ersteres bezeichnet Heidi Smolka als Glücksmoment, letzteres als Zufriedenheit. Ersteres ist eine relativ kurze, aktuelle Erfahrung, Letzteres eine kognitive Bewertung meiner Lebensgestaltung. Und Freude als dritte Form des Glücks, schreibt sie, bezieht sich immer auf Vergangenes und Zukünftiges – die Vorfreude etwa oder die Nachfreude, einen tollen Urlaub gehabt zu haben.
Wie glücklich macht uns das Glück wirklich?
Alle drei Formen des Glücks wirken auf unser Wohlbefinden, und so könnte man sagen: Am besten, ich reihe einen Glücksmoment an den anderen und fahre so oft wie möglich auf Urlaub wegen der Vor- und Nachfreude. Man könnte auch Partys aneinander reihen oder Shoppingerlebnisse. Bis ich schreie vor Glück sozusagen. Dann habe ich ein gutes Leben gehabt.
Oder?
Abgesehen davon, dass man sich viele Urlaube, Partys und Shoppingerlebnisse erst einmal leisten können muss, stellt sich schon die Frage, ob all diese spaßigen Erlebnisse uns wirklich langfristig glücklich machen – oder ob sie nur für den kurzen Kick sorgen. Vor allem, wenn sie in erster Linie dazu da sind, um uns vom langweiligen Alltag abzubringen. Dann stimmt die Redensart auf jeden Fall: Das Glück ist ein Vogerl.
Kürzlich las ich von einer groß angelegten Umfrage, in der man Glück und Sinnhaftigkeit gegenüberstellte. Das Ergebnis: Die Befriedigung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse zahlt ins Glück ein, aber nicht unbedingt in die Sinnhaftigkeit. Irgendwann hat man halt keinen sinnvollen Grund mehr fürs Shoppingerlebnis, weil man eh schon genug Kleider im Schrank hat. Umgekehrt ist die sinnorientierte Lebensweise nicht unbedingt immer mit Glücksgefühlen verbunden – wer Kinder in die Welt setzt und großzieht, weiß, was damit gemeint ist. Am Ende wird man aber trotzdem sagen, dass man glücklich ist, Kinder zu haben.
Glück ohne Sinn ist nicht tragfähig
In meiner existenzanalytischen Ausbildung habe ich gelernt, wie bedeutsam die Sinnfrage ist (lies einmal hier weiter). Erst da habe ich den Hintergrund dafür verstanden, was ich seit vielen Jahren als Autorencoach und Ghostwriter erlebt habe. Es kamen Menschen zu mir, die ein Sachbuch schreiben wollten – entweder selbst oder durch meine Feder. Die Begeisterung war anfangs immer groß, man stellte sich vor, mit dem eigenen Buch in der Hand im siebenten Himmel zu schwelgen. Alles, was ich weiß zwischen zwei Buchdeckel, das ist der Ritterschlag, der mich als Bildungsbürger auszeichnet. Das ist es ja auch.
Buchprojekte sind aber anstrengend. Und langwierig! Sie sind mit Entbehrungen verbunden, man kommt schreibtechnisch und vielleicht auch inhaltlich an seine Grenzen. Man merkt, dass man sich die Zeit mühsam vom gewohnten Alltag abringen muss. Die Geduld wird auf die Probe gestellt. In den meisten Projekten gab es Phasen, wo meine angehenden Autoren genervt, frustriert, verärgert, kurz vorm Aufgeben waren.
Warum? Weil das Buchglück nicht einfach vom Himmel fällt. Weil der Wunsch, ein Buch mit eigenem Namen vorn drauf zu haben, nicht immer wirklich sinnvoll ist. Und weil das Glück ohne Sinn kein tragfähiges, haltbares Glück ist. Das wird es erst, wenn mir glasklar ist, wofür es gut sein soll. Wenn das Buchschreiben mit meinen Werten in Einklang steht, wenn das ganz zu mir passt, dann bin ich bereit, durch alle Höhen und Tiefen zu gehen. Viktor Frankl sagte: „Wer ein Wofür zum Leben hat, erträgt jedes Wie.“ Dieses Wofür muss stark sein und über den profanen Nutzen hinaus gehen, erst dann taugt es.
Dann bin ich auch glücklich, trotz aller Anstrengung.
Sinnvolle Lebensführung macht zufrieden und glücklich
So ist das bei allem im Leben: Wir wünschen uns etwas, das uns glücklich macht. Doch ob die Anstrengung dafür das Glück auch wert ist, das bestimmt der Sinn. Jener Sinn, den wir dem Vorhaben geben. Für mich ist ein Waldlauf so sehr mit Sinn gefüllt, dass es das Keuchen und Schwitzen allemal aufwiegt. Und es beschert mir sogar einen Glücksmoment. Das eine schließt das andere also nicht aus.
Umgekehrt würde ich etwas, das mir nicht sinnvoll scheint, nie in Betracht ziehen. Und damit das jetzt nicht ins Bierernste abrutscht: Ein Shoppingerlebnis, just for fun, kann durchaus sinnvoll sein, auch wenn ich keine neuen Kleider brauche. Weil ich beispielsweise dringend abschalten muss, vom Stress runterkommen will, und es für mich nichts Besseres gibt, als mich in der Einkaufsmeile treiben zu lassen.
Ein Leben ist nicht dann gut, wenn ich permanent glücklich bin. Es geht vielmehr um ein Leben in Fülle. Da darf es auch nervig, stressig, traurig sein. Die Liebe ist ja schließlich auch eine höchst sinnvolle und erfüllende Sache. Auch wenn wir dabei scheitern können, werden wir es doch wieder versuchen. Weil es Sinn ergibt. Und auch wenn es zwischendurch Streit und Frust gibt: Glücklich sind wir zwischendurch dann doch auch.
*) Heide-Marie Smolka: Mein Glückstrainings-Buch, https://www.heidemarie-smolka.at/mein-glueckstrainingsbuch